Galerie Augenblick / Kirchberg. 29. Jänner 2016
Zur Ausstellung: „Partner Schafft. Andy Wallenta. János Szurcsik.“
Herzlich Willkommen zur Ausstellung von Andy Wallenta und János Szurcsik mit dem Titel „Partner Schafft“.
Diese dritte Ausstellung der Galerie Augenblick bringt in der Serie eine Reduktion: Sie erinnern sich, dass die Eröffnungsausstellung von einer Gruppe von acht Künstlerinnen getragen wurde, dass es im Anschluss eine große Präsentation kleiner Formate von 46 Künstlerinnen gab und nun sehen wir hier Werke von zwei Künstlern, beide aus Kleinwiesendorf, wo sie seit 1986 ansässig sind.
Die Auswahl der Bilder und die Gestaltung der Ausstellung haben sie selbst übernommen, deshalb dürfen wir auch hier den Titel der Ausstellung wörtlich nehmen bzw. interpretieren ihn als Koproduktion. Aus Sicht der Galerie ist dies somit nicht als kuratorische Nachlässigkeit, sondern diesmal als deren Konzept zu verstehen. Wir als Betrachter gewinnen darüber vermutlich noch tieferen Einblick in die manifesten und geheimnisvollen Beziehungen dieser künstlerischen Lebenspartnerschaft. Natürlich gibt es in Beziehungen - und gerade bei den künstlerischen - Grenzlinien. Die beiden offensichtlichsten Grenzziehungen, die wir an dieser Ausstellung ablesen können sind:
Die Vertikale, also alle Wände gehören Andy Wallenta, die Horizontale, alles, was direkt mit dem Boden verbunden ist, gehört János Szurcsik. Und: Die Künstlerin zeigt uns Gemälde und Zeichnungen, der Künstler präsentiert Einzelobjekte und Objektgruppen.
Setzen wir gleich mit der Vorstellung der beiden Künstler fort:
Andy Wallenta wurde 1961 in Wien geboren. Sie absolvierte bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr die Ausbildung für klassischen Tanz an der Wiener Staatsoper (1969 – 1976), besuchte dann die Modeschule Hetzendorf in Wien (1976 – 1981). Sie war zehn Jahre (1981 – 1991) als Illustratorin für internationale Werbeagenturen tätig.
Ab 1985 bereits begann sie sich als bildende Künstlerin auch mit Malerei zu beschäftigen und etablierte ab 1986 ihr Atelier in Kleinwiesendorf, wo sie seitdem auch lebt.
Andy Wallenta ist Mitglied bei der IG der bildenden Kunst in Wien (seit 2008) Mitglied beim Kunstverein artP in Perchtoldsdorf (seit 2012).
Sie ist sehr erfolgreich als Illustratorin von Büchern tätig, sowie als Kuratorin von Kunstausstellungen, wobei sie sich dabei um Lebensthemen wie Jugend und Alter bemüht und gesellschaftliche Entwicklungen kritisch beleuchtet.
Mehr: www.andywallenta.com
János Szurcsik wurde 1956 in Budapest geboren. Nach seinem Designstudium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Budapest (1975–79), emigrierte er 1979 nach Österreich und hat hier intensive Berufsjahre zuerst als Grafiker (1980 – 1983) und später als Art Director in einer großen internationalen Werbeagentur (Ogilvy & Mather) verbracht.
Seit 1983 ist János Szurcsik als freischaffender bildender Künstler, als Grafiker und Illustrator, als Art Director und Creative Director für mehrere Werbeagenturen, für die er zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen holte, tätig. Ab 1999 gibt er sein Wissen als Lehrender und als Design-Konsulent weiter und gründete die Schule Music & ArtHouse in Wien, er ist Gründungsmitglied und künstlerischer Leiter von Zafouk Krems (offenes Kulturhaus) gewesen.
Seit 2005 hat er eine Professur für computergestütztes Grafik-Design an der Novus Künstlerischen Fachhochschule in Budapest. Nach Diplomabschluss mit Master of Science am Institut für Angewandte Kunst der West-Ungarischen Universität in Sopron im Jahr 2008 wurde er zum Projektleiter für interdisziplinäre Kunst am Institut für Angewandte Kunst an eben dieser Universität bestellt.
2012 gründet er designschool.at in Wien. János Szurcsik arbeitet seit 1988 als Bildhauer, von 1999–2002 Mitglied der IG Bildende Kunst. Mehr: www.janos.at
Andy und Jànos sind verheiratet und haben zwei Kinder, die 1988 bzw. 1990 geboren wurden.
Es ist klar, dass schon in den Biographien entscheidende Gemeinsamkeiten ablesbar sind. Ein jeweils professioneller, künstlerischer Background, eine intensive – ich trau mir als Brancheninsider sagen, sehr intensive, – berufliche Tätigkeit in der Kommunikationsbranche und eine äußerst konsequente künstlerische Weiterentwicklung.
Tatsächlich ist es auch so, wie sie mir im Gespräch berichtet haben, dass sich im ganz Praktischen oft ergibt, dass bei der konkreten Herstellung eines Kunstwerkes einer oder eine der beiden auf den jeweils anderen zurückgreift, um sich handwerkliche Hilfe zu holen. Das ist der eine, praktische Aspekt. Andererseits erkennen Sie aber auch, dass beider Werke durch einen Hang oder eine Liebe zur Perfektion gekennzeichnet sind. Und dies ist wiederum ein Effekt einer gemeinsamen Arbeit, sosehr sie auch nebeneinander und voneinander unabhängig passiert. Man kann sich das einerseits wie eine Art Akademie vorstellen, an der intensiver Austausch und kontinuierliche Vertiefung der interessierenden Themen passiert. (Das haben Sie sicher nicht gewusst, dass in Kleinwiesendorf diese künstlerische Akademie existiert.)
Trotz jeweils ganz eigenständiger Arbeit, bleibt ein verbindendes Element, eine Art Band bestehen zwischen beiden. Ich würde das mit dem Begriff „unterstützende Beziehungen“ benennen.
Dieser Begriff kommt aus der Medizin und spricht jene Kräfte an, die wirken, wenn Patienten z.B. Placebos erhalten und trotzdem die heilende Wirkung erfahren. Noch passender sind solche unterstützenden Beziehungen in der Medizin als Selbstheilung bezeichnet, als Selbstheilungskräfte. Diese sind meist unerklärlich, obwohl ihr Existenz bekannt und ihre gezielte Aktivierung ist äußerst rätselhaft.
Die Arbeit des jeweils anderen nehmen die Künstler einerseits auf eine ganz manifeste Art wahr und andererseits auf eine subtile, verborgene Art. Man sieht die konkrete Tätigkeit, den Prozess und dessen Ergebnis als Bild oder Objekt und man spürt gleichzeitig, was hinter dem oberflächlich Sichtbaren vor sich geht. Das kann man aufgrund der Nähe praktisch gar nicht verhindern. Und diese Wahrnehmung, dieses gefühlsmäßige Wissen, spürt natürlich auch der/die andere, womit der Schaffensprozess ja auch durchaus beeinflusst wird. Je reibungsloser diese Wechselwirkung abläuft, desto tiefer und enger zieht sich dieses Verbindungsgeflecht.
So stelle ich mir das vor, das künstlerische Miteinander von Andy und János.
Ich möchte sie an dieser Stelle zu einer kleinen inhaltlichen Exkursion einladen. Auch deshalb, um nicht das Missverständnis zu erwecken, dass zwei miteinander lebende Künstler automatisch miteinander verschmelzen würden und nicht jeweils prägnante Trennlinien bestehen und nicht beide über markante, eigenständige Identitäten verfügten.
Es soll aber für heute die Kurzform des Exkurses genügen:
1435 bringt Leon Battista Alberti mit „Della pittura“ eine Schrift heraus, die der Kunsthistoriker Werner Busch als eine erste neuzeitliche Theorie der Kunst bezeichnet, der westlichen Kunst.
Der Künstler wird darin so dargestellt, dass er nun nicht mehr Handwerker, sondern eigenständig, unabhängig von der Zunft ist. Er hat sich emanzipiert und auch seine Werke haben Wert unabhängig von ihrer Größe oder Farbe, die ja für den handwerkenden Kunstmaler wichtige Faktoren sind. Gleichzeitig steigt die wirtschaftliche Abhängigkeit der Künstler vor allem vom Hofe, von den Fürsten. – Der Künstler aber ist autonom, sein Wille frei.
Im 19. Jhdt. wird über den deutschen Idealismus noch weiter konstatiert, dass auch das Kunstwerk autonom ist, d.h. „Das Kunstwerk gibt sich seine Gesetze selbst.“ Es muss die Natur nicht nachahmen, noch muss es nützlich sein und auch nicht moralisch, und die Kunstwerke sind grundsätzlich nicht von gesellschaftlichen Einflüssen geprägt. Die Kunst ist zweckfrei und dient keinem gegenwärtigen Interesse. Und: auch der Betrachter ist autonom.
Im 20. Jahrhundert spitzen sich diese Verhältnisse nochmals zu, wobei eine stark politische Komponente zum Tragen kommt, gegen die bürgerliche Ästhetik protestiert wird und die Konflikte hinsichtlich Freiheit der Kunst, autonome Künstler und gesellschaftlich anerkannte Werte zunehmen. Die Kunst im Sinne einer autonom wirkenden Kraft, die unabhängig von gesellschaftlichen System und Verhältnissen existierte, gerät vollends in Verruf oder als solche in Vergessenheit. Was bleibt ist das Schlagwort von der Freiheit der Kunst, das „regelmäßig“ für mediale Feuerwerke gezündet und missbraucht wird.
Was noch bleibt ist, dass wir Künstler als starke Persönlichkeiten erleben, manchmal hermetisch, so dass wir ihnen ganz und gar nicht nahe kommen. Und vielfach auch so, dass sich die theoretischen Diskurse verselbständigen und ganz feine Schichten zu Tage fördern, die tiefe Einsichten ermöglichen aber trotzdem nicht jedermanns Sache sind.
. . . Der längere, kurze Exkurs führt zum Begriff der Autonomie der Kunst. Was bedeutet er, woher kommt er?
Auf einen historischen Pfad, den man hier verfolgen kann, hat der Kunsthistoriker Werner Busch hingewiesen. Er erinnert an das 1435 von Leon Battista Alberti veröffentlichte Werke „Della pittura“ (Über die Malerei), das eine erste neuzeitliche Theorie der Kunst darstellt. Ganz kurz gesagt, Alberti zeigt und konstatiert, dass die Künstler aus dem Feld des Handwerks, der Zunft heraus einen Weg zur autonomen Produktion und Existenz gegangen sind. Wenn es vorher vor allem um die Ausgestaltung von sakralen Räumen ging, so wird nun das Kunstwerk selbst und mit ihm sein Erzeuger zum eigentlich Beachtenswerten, ja sogar zum Gottähnlichen. Nicht mehr um die Nachahmung der Natur geht es, nicht mehr nur die Verherrlichung des Göttlichen steht im Mittelpunkt, sondern das autonome Subjekt und seine künstlerische Meisterschaft. Damit einher gehen zum Beispiel auch, erläutert Werner Busch, Selbstporträts namhafter Künstler wie zum Beispiel Albrecht Dürer, der sich um 1500 etwa in einem Selbstbildnis frontal darstellt, verbunden mit seinem Monogramm. „Dieser Bildtypus“, schreibt Werner Busch, „war zuvor zumindest im Westen fast ausschließlich Christus vorbehalten. (...) in verstärktem Maße seit dem 15. Jahrhundert als ‚vera icon’, als das wahre, authentische Bild des Gottessohnes (...).“
Es sollte aber auch noch bemerkt werden, dass die gewonnene Autonomie des Künstlers, der nicht mehr nur Handwerker ist und der damit einhergehende Wert seiner Werke, der nun plötzlich unabhängig von Bildgröße z.B. und Art der gewählten Farben ist, hat natürlich auch zur Folge, dass die Abhängigkeit von Gönnern, Auftraggebern, Sponsoren, vor allem vom Hofe umso größer wird. Der Lebenszusammenhang des autonomen Künstlers wird so auch durchaus prekärer. Mit einer anderen Begrifflichkeit konfrontiert uns die westliche Kunstgeschichte um 1800 und während des folgenden 19. Jahrhunderts, wenn nun der Autonomiebegriff auf das Kunstwerk selbst angewendet wird. „Das Kunstwerk gibt sich seine Gesetze selbst“, heißt es. Es muss die Natur nicht nachahmen, noch muss es nützlich sein und auch nicht moralisch, und die Kunstwerke sind grundsätzlich nicht von gesellschaftlichen Einflüssen geprägt. Die Kunst ist zweckfrei und dient keinem gegenwärtigen Interesse. Hinzu kommt, dass auch der Betrachter autonom ist, also sich sein Urteil selbst machen kann. – Da haben wir also einen recht komplexen kunstutopischen Zusammenhang, der wohl am ehesten den Künstler als Genie interpretiert. Die Kombination des freien Willens des Künstlers mit dem Wirken der Natur, des Zeitgeistes führen zu einer quasi automatischen Versöhnung mit den gesellschaftlich anerkannten Werten, fasst Boris Groys im Katalog „Das Bild nach dem letzten Bild“,1991, zusammen.
Im 20. Jahrhundert spitzen sich diese Verhältnisse nochmals zu, wobei eine stark politische Komponente zum Tragen kommt, gegen die bürgerliche Ästhetik protestiert wird und die Konflikte hinsichtlich Freiheit der Kunst, autonome Künstler und gesellschaftlich anerkannte Werte zunehmen. Die Kunst im Sinne einer autonom wirkenden Kraft, die unabhängig von gesellschaftlichen System und Verhältnissen existierte, gerät vollends in Verruf oder als solche in Vergessenheit. Wie ein Händeklatschen zum Aufwachen wirkt ein Zitat des Malers und Filmemachers Julian Schnabel. Er antwortet auf die Frage: Was sagen Sie Menschen, die ihre Bilder nicht verstehen?
"Die muss niemand verstehen. Es geht nicht um den Verstand, sondern um Gefühle. Wenn Menschen Kunst anschauen, müssen sie einfach nur fühlen. Und zwar ihre eigenen Gefühle, nicht meine.
Das ganze verdammte Kunstwerk ist tot, bis jemand davorsteht und es anschaut."
So sieht das heute aus. Und so machen wir das auch.
Nehmen wir einige der ausgestellten Werke beispielhaft „unter die Lupe“.
Hier eine Serie von drei Bildern von Andy Wallenta. „Sie“, „Elle“, „She“
Eine moderne, junge Frau. . . . cool könnte man sagen . . . mit zartem Kleid und groben Stiefeln als Kontrapunkt. Modisch, selbstbewusst.
Nur zart hebt sich ihr grünes Kleid vom grünen Hintergrund des Bildes ab. Sie raucht. Die Augen sind mit einer schwarzen Binde verbunden. Ihr Auftreten ist markant, ihre Konturen sind aber teilweise unscharf. Es kommt mir vor, als wäre sie in einem Übergang. Woher kommt sie? Wohin geht sie? Sie beginnt sich aus ihrer Vergangenheit, aus der Zeit ihrer frühen Jugend herauszulösen, aus der Kindheit und Jugend ins Leben einer jungen Erwachsenen. Mit der linken Hand, deren Handfläche nach hinten weist, hält sie sich vielleicht noch etwas fast oder spürt noch die Herkunft unmittelbar.
Aber sie sieht nicht, was auf sie zukommt. Sie ist ganz nach vorne gerichtet, sie kann sehen, aber ihre Augen sind verbunden. Sie ist nicht blind.
Kann es sein, dass es die Blindheit von jemand anderem ist, die hier im Bild zum Ausdruck kommt oder vielmehr ein Blick, der durch Vorstellungen, Wünsche, guten Willen und viel Liebe „verstellt“ ist?
SHE ist es, die hier abgebildet ist, aber ICH, die Malerin bin es, die sie darstellt und die nicht weiß, was aus ihr werden wird, wohin sie gehen wird.
SIE – das nächste Bild in der Serie – steht barfuss und kehrt uns den Rücken zu. Die Füße leicht nach innen gerichtet, ihr Umfeld sieht aus wie ziehende Wolken auf einem dunklen, violetten Grund. Die Wolken sind wie Landschaftsfetzen, wie Camouflagemuster, es ist wahrscheinlich eine Traumlandschaft. Es ist Nacht, SIE träumt wahrscheinlich. Es sieht nach einem behüteten Traum aus.
ELLE steht an einen Baum gelehnt. Der Baum scheint direkt an der Grenze zwischen der Wiese rechts und einem dunklen Gewässer links zu stehen. ELLE, das Bild vereint das Grün und das Blau der anderen beiden Bilder und bringt ein markantes Rot ins Spiel. Im Rock, den sie trägt und im Apfel, der hinter ihren auffälligen, schwarzen Schuhen liegt. Sie wartet, blickt nach rechts unten, nachdenklich. Vielleicht beginnt sie schon sich umzudrehen, der linke Fuß könnte das andeuten. Dann sieht sie uns an, dann sieht sie die Malerin an, der Kontakt wäre wieder hergestellt, zurück im lichten Tag, in der Realität, herausgetreten aus dem Bild.
Sie haben schon bemerkt, sie, die Malerin kann nur die Mutter sein, SIE, ELLE, SHE ist die Tochter und die Mutter gleichzeitig, die ja ebenso einmal in der gleichen Situation des Übergangs war, als junge Frau, als Künstlerin, Liebende und Geliebte. Drei Szenen, drei Figuren, an denen jeweils ein Übergang, eine anstehende Veränderung abzulesen ist.
Ein fixierter, festgehaltener Moment, ein gedachter oder rein gefühlter. Die Räume verschmelzen so wie Vorstellung und Realität. Ich glaube, dass solche Übergänge – Transitionen sollte man sagen – auch in den Porträts zu finden sind. Dabei ist es spannend, sich auch immer die Art der Malerei genauer anzusehen.
Andy Wallenta hat selbst auch Wurzeln ihrer Herkunft in der Mode und mir kommt vor, dass in ihren Bildern manchmal Textilentwürfe stecken, wären daraus z.B. keine Porträts oder Figuren geworden. Gerade die vorhin angesprochenen Hintergründe aber nicht nur diese. Betrachten sie also die Porträts in dieser Ausstellung gefühlvoll und ausdauernd und entdecken Sie, was sich Ihnen im Blick darauf erschließt.
Ich möchte noch ein weiteres Bild („Digital Native“) nennen, das sie im Nebenraum finden. Drei Aspekte scheinen mir dabei wichtig. Es ist eine heimelige Szene, die eine junge Frau in gemütlicher Atmosphäre zeigt, die ihren Notebook-Bildschirm betrachtet. Das Licht des Monitors beleuchtet die Person und den Raum teilweise. Es ist ein fast klassischer Umgang mit dem Licht in diesem Bild, ein Licht das nicht von außerhalb kommt, kein natürliches Licht, ein ganz profanes allemal, aber trotzdem geheimnisvoll. Andy Wallenta hat das Gerät sogar mit ein eigenen Logo versehen, das wiederum ein Schicksalssymbol ist. Spielerisch nämlich ist es eine Margaritenblüte, die, mit der man „er/sie liebt mich, liebt mich nicht“ spielen kann. Wiederum ein Symbol für eine kommende Zukunft, die alles bringen kann, die noch unklar aber willkommen ist.
János Szurcsiks Objekte führen uns ebenfalls in eine symbolisch stark aufgeladene Welt.
Die Schiffe, die er uns zeigt, sind aus Holz hergestellt, das mit Feuer bzw. Hitze bearbeitet wurde. Das bringt einerseits eine Art Imprägnierung, andererseits lässt es aber auch Vergänglichkeit anklingen, begrenzte Dauer.
Mir fallen dabei die vor ein paar Jahren in Istanbul gefundenen mehr als tausend Jahre alten Schiffe ein. Beim Bau der U-Bahn, die in einem Tunnel unter dem Meer geführt werden soll, sind 30 historische Schiffe aufgetaucht. Sie müssen unmittelbar vor dem Hafen, teilweise im Hafen gesunken sein. Praktisch die gesamte Ladung ist erhalten. Und mehr noch unter den Schiffen hat man Reste von Siedlungen gefunden, viel älter noch, aus einer Zeit als dort kein Hafen und eben kein Wasser war. Ihre Präsentation im archäologischen Museum in Istanbul ist ein wahrer Kontrapunkt zu den sonst gezeigten Sarkophagen und Figuren aus Stein.
Schiffe sind Symbole des In-Bewegung-Seins, wir verbinden mit ihnen schicksalhafte Geschichten. Eindrücke von historischen Fahrten in unentdeckte Gegenden, stürmische Überfahrten und katastrophale Ereignisse drängen sich auf.
Dabei haben Schiffe etwas Bergendes, ich glaube, das kennt jeder, der schon einmal eine ernsthafte, also längere Schiffreise gemacht hat. Ich bin selbst vor einigen Monaten mit einem historischen Dreimaster auf mehrwöchiger Tour im Südatlantik bis in die Antarktis gesegelt. Das Erlebnis ist einschneidend hinsichtlich Dimension, räumlich, zeitlich und natürlich die Elemente betreffend. Aber noch im scheinbar ungemütlichsten Sturm fühlt man sich geborgen und aufgehoben im Schiff. – Man hat ja sonst nur sich selbst. Genau diese Dichotomie zwischen Geborgenheit, Aufgehobenheit und Gefahr steckt für mich im Symbol Schiff.
Mir fällt auch Fellinis Film „E la nave va“ ein. Kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges macht sich ein Schiff auf die Reise, alle Passagiere Musiker, Opernsänger, Künstler, die die Fahrt als Begräbnis für die Asche der verstorbenen großen Operndiva, Edmea Tetua, auf sich nehmen. – Unnötig zu erwähnen, dass die Reise in einer Katastrophe endet, die ja beim Ablegen in Wirklichkeit schon begonnen hatte. Mit Schiffen beginnen und enden Zeitalter, sie stehen für Katastrophen und großartige Entdeckungen gleichermaßen.
In diesem symbolischen Umfeld platziert nun János ganz besondere Schiffe. Sie haben ungewöhnliche Formen. Bug und Heck sind eigenartig verdoppelt und meist lässt sich nicht sagen, wohin diese als Schiffe ja kaum tauglichen Objekte steuern. Dazu führen sie Ladung. Z.B. hier das leuchtende Objekt, das das Schiff in Kreuzform darstellt. Es ist schon anzumerken, dass es sich hier um kein Lichtobjekt handelt, nur weil es leuchtet. Menschen auf Schiffen sind ja nicht nur Passagiere, es sind Seelen, man spricht von Seelenverkäufern, wenn Schiffe in See stechen, die aufgrund ihrer Bauart gar keine Chance haben ihre Passagiere heil ans Ziel zu bringen. Aktuell ist das werden Sie sagen. Wie eng stehen künstlerisch veränderte Symbole, mythische Vorstellungen und die pure Realität nahe beieinander? Welche Gefühle gehen damit einher, wenn wir das betrachten und wie offensichtlich ist, dass wir solche Objekte nicht außerhalb unseres gegenwärtigen Kontextes betrachten und interpretieren können?
Schauen wir an das andere Ende des Raumes. Hier haben János und Andy eine weitere Inszenierung zusammengestellt. Die Objekte sind verschieden große Schiffe, die mit interessanter Ladung versehen sind. Echter Brotteig, gebacken und dauerhaft versiegelt, aufgeschnallt auf die Schiffe und Boote, die wie in einer Prozession arrangiert sind. Tatsächlich sind diese Teige und ihre Formen, die Schiffe, gemeinsam gebacken. Alles keine künstlerischen Prozesse auf den ersten Blick. Den Teig herstellen, das Schiff konstruieren, den Teig in die Form füllen und im Ofen backen. Traditionelles Handwerk – und perfekt ausgeführt ist das alles, muss man auch sagen –, vielsagende Symbolik und eine Verdichtung von Geschichte und Gegenwart als Ergebnis. Die Prozession der Boote – „Broote“ vielleicht – spielt sich auf einem als hölzerner Altar präsentiertem Tisch mit weißer Tischdecke ab. Das Brot vielfältig geformt, füllt die Laderäume, ja sie quillen über die Bootsdecks hinaus. Erinnern Sie sich an den Spruch „das Boot ist voll“ – gemeint ist unser Land, unsere Geborgenheit, unsere Bereitschaft. Mit Blick auf diese Installation erhält das neue Aspekte. Mit Brot üppig gefüllte Schiffe sind voll beladen, aber die Seelen müssen draußen bleiben. Es herrscht Überfluss, aber in der Sorge, unser Schiff über Wasser zu halten, kommen wir gar nicht mehr zum Reflektieren. – Hinter dem Altar wurde das Bild von zwei Füßen platziert, so dass bei frontaler Sicht auf den Altar das Bild ziemlich weit entfernt erscheint, da es im Verhältnis zum Altar recht klein ist.
Es gibt noch viel zu entdecken in dieser Ausstellung. Damit lasse ich Sie nicht alleine, sondern lade alle ein, sich mit den Objekten und Bildern, mit der Künstlerin und dem Künstler, die sie hier treffen, zu unterhalten und den Bildern und Objekten nachzufühlen. Ihnen und den beiden Künstlern vor allem möchte ich danken und mit einem Zitat von Paul Cezanne enden:
„Was einen großen Maler/Malerin und Künstler/Künstlerin ausmacht, ist der Charakter, den er oder sie allem, was er oder sie berührt, verleiht.“
Vielen Dank für diese charaktervolle Ausstellung und danke fürs Zuhören.
Wolfgang Giegler Kirchberg, 29.01.2016
Andy Wallenta ist eine Künstlerin, die mehr als die meisten anderen ihren Ausdruck seit der frühen Kindheit gesucht und geformt hatte. Während der körperlich anspruchsvollen Ausbildung im klassischen Tanz an der Wiener Staatsoper, die sie in ihrem achten Lebensjahr begonnen hatte, war sie ständig mit der Aufgabe konfrontiert, die Schwerkraft zu überwinden, mehr noch – den eigenen Körper gewissermaßen zu entmaterialisieren. Die ohne scheinbare Anstrengung durchgeführte, sozusagen aus dem Nichts entstehenden Sprünge die aneinander gereiht den Anschein des Schwebens vermittelten, waren eines der Ziele des jahrelangen harten Trainings.
Es überrascht nicht, wenn sich Andy Wallenta auch nach Jahrzehnten dieser Thematik, wenn auch auf einer anderen Ebene, verpflichtet fühlt. Dies ist sichtbar in ihren zahlreichen Installationen, in denen sie wiederholt „entmaterialisierte" Körper, nämlich meist weiße Kleidungsstücke im Raum, der geometrisch von einem Spinnennetz ähnlichen Schnürgeflecht zur einer imaginären Bühne geformt wird, schweben. Die Künstlerin ist aber nicht nur in diesem einen seit ihrer Kindheit da gewesenen Dilemma der Konfrontation der Materie und des Raumes verhaftet.
Ihre Bilder scheinen einen Ausgleich zu ihrer dreidimensionalen Tätigkeit zu schaffen. Kräftige, in Flächen aufgetragene Farben lassen die Figuren oder Porträts in ihrer ganzen Körperlichkeit erscheinen. Der Unterschied zu den subtilen, fast imaginären Installationen wird bei den zweidimensionalen Arbeiten oft durch ein zusätzliches, witziges Detail noch verstärkt.
Trotz des Unterschiedes bezüglich der Ausdrucksformen haben Wallentas Arbeiten einen gemeinsamen Nenner. Es ist die zarte Rebellion gegen die nicht nachgewiesenen, trotzdem aber allgemein angenommenen axiomistischen Formen des Daseins. Sie flüchtet – oder besser gesagt – sie sucht hinter der Grenze der Realität nach dem unscheinbaren Wink.
Milan Racek
Schriftsteller
2001-2007 Leiter der Landhausgalerie Ausstellungsbrücke St.Pölten
April, 2010
Misstraue der Idylle
Konzepttext von Andy Wallenta in Deutsch und Englisch (scroll down), das Projekt wurde am 13.10.2012 im Kunstverein artP, Perchtoldsdorf, NÖ realisiert.
Ein interdisziplinäres Projekt zum Thema Missbrauch in unserer heutigen Konsumgesellschaft.
Missbrauch ist immer ein Symptom von Gier. Das Begehren einer Sache ohne Rücksicht. Gier verursacht Schaden.
Das ist das Thema dieses interdisziplinären Ausstellungsprojekts, das die vielen Formen des Missbrauchs in verschiedenen Lebensbereichen behandeln soll. Es beinhaltet auch die Bereiche des sexuellen Übergriffs, der Umweltverschmutzung und der steigenden Anzahl von Süchten. Es behandelt auch den Begriff der Entfremdung, die der Hauptgrund für das Ansteigen von Depressionen in unserer konsumorientierten Gesellschaft ist. Das Gegenteil unserer monetaristischen Gesellschaftsordnung ist der Traum vom Paradies, der perfekten Idylle.
Der Versuch einer Gegengesellschaft eine hermetische Welt zu konstruieren, wie zum Beispiel die katholische Kirche und andere geschlossenen idealistischen Vereinigungen, führen zu unausweichlichen Fragen des Vertrauens, der Gewalt und der Macht. Machtausübung ist ein gefährlicher Balanceakt, ein Moment der Unachtsamkeit und Macht wird zu Missbrauch. Gewalt entsteht durch Zwang, und jeder erzwungene Akt ist Missbrauch.
Vertrauen, die Basis für jede funktionierende Lebensgemeinschaft, ist heute leider obsolet geworden. Aber ohne Vertrauen, auch in sich selbst, gibt es keine Weiterentwicklung. Leben mit dem Vertrauen in die Zukunft und in die funktionierenden sozialen Systeme ist der wahre paradiesische Zustand, und ohne Sachzwänge handeln zu müssen, wahre Freiheit.
Das visuelle Konzept der Ausstellung soll den Besucher durch eine Art projiziertes oder gemaltes Labyrinth führen, das in den Sackgassen die Werke präsentiert. Jeder Missbrauch führt letztendlich in eine Sackgasse, ist ein Irrweg.
Der ganze Ausstellungsraum sollte abgedunkelt werden, und nur die Werke beleuchtet. Dieser Irrgarten soll auch die Verzweiflung des Individuums symbolisieren. Der Betrachter sollte Raum und Zeit haben, seine eigenen Erfahrungen zu dem Thema Missbrauch zu reflektieren. Wir wollen also nicht nur bildende Kunst zeigen sondern auch durch die Atmosphäre des Ausstellungsraums das Thema vermitteln.
Wir werden dazu 6 - 8 bildende Künstler aus verschiedenen Kunstsparten, wie Fotografie, Installationskunst, Multimedia und Objektkunst einladen, aus Österreich, Deutschland und Ungarn. Eine Performance bei der Eröffnung ist angedacht.
Als bildende Künstlerin mit Erfahrungen im klassischen und modernen Tanz sowie in der Werbebranche, konnte ich in die Funktionsweisen dieser Bereiche Einblick nehmen, die nur mit Selbstausbeutung vonstatten gehen.
Meine Frage dazu ist: Ist es möglich Selbstausbeutung durch Selbstverantwortung zu verhindern? Es ist eine Frage nach Freiheit in einer Gesellschaft die jedes lebendige Wesen verbraucht und missbraucht.
Untrust perfect Idylls
An interdisciplinary project dealing with the concept of abuse in our consumerist society. Abuse is always a sign of greed: the desire of an object without regard for it.
Greed is the only reason why we cause damage.
This is the topic of our interdisciplinary exhibition project, which should highlight the multiple forms of misuse in different areas of life. It includes the domains of sex assault, environmental pollution and the escalating number of addictions. It also includes the concept of alienation, which is the main reason for the increasing number of depressions in an achievement-oriented society. The opposite of a monetarily driven society is the dream of paradise: the perfect idyll. This attempt to build a hermetic world, like for example the association of the Catholic Church, or other closed idealistic organizations, leads to the questions of trust, violence and power.
To exercise power is a dangerous balancing act - one moment of carelessness and power turns to misuse. Violence grows out of constraint. And every forced act is a misuse. Trust, a basis for every functioning life partnership, has unfortunately become obsolete. But without confidence there is no flow. To live on with trusting in the future and in the surrounding social systems is the real paradise and to act without inherent necessity is the real freedom for the individual.
The visual concept for the exhibition should lead the spectator through a kind of labyrinth projection on the floor, where the works should be presented in the blind alleies of the labyrinth. As we know, all misuse always leads up a blind alley. The whole area should be kept in darkness, and only the artworks should be illuminated. This labyrinth also symbolizes the despair of the individual. The visitor should have the time and the space for reflecting on his own experiences with the subject of abuse. I do not want only to present visual art, I also want to convey this subject to the visitor through the atmosphere of the setting. I would invite 6 - 8 artists from Europe - Hungary, Germany, the UK and Austria from different artforms, like photography, object art, installation, video and other kinds of visual art. A performance at the opening is also conceivable.
I am a visual artist, born in Austria,Vienna, the city of Sigmund Freud, with experiences in classical and modern dance, and later as graphic designer for advertising agencies. Both these environments function well with self exploitation. My question is: "Is it possible to avoid self abuse by being a self-aware and responsible person?"
It is the question of freedom in a system, which uses and abuses every living creature on this planet.
Rede zur Ausstellungseröffnung am 13.10.2012
Text und Führung durch die Ausstellung von Andy Wallenta
Es ist 12 Uhr mittags und in unserem idyllischen Weinviertler Ort klingen die Kirchenglocken laut bis in die umliegenden Häuser herein. Ein eindringliches, ermahnendes Läuten ist das. Ein Klingen gegen den Irrsinn, ein Einfordern der Normalität, ein zeitliches Richtmaß.
In den Häusern wird gelebt, geliebt, gestritten, gekämpft , gearbeitet, verbraucht und missbraucht. Meistens erkennt man an der Fassade nicht wie es innen aussieht, manchmal schon. Meistens ist alles schön und glatt, gepflegt und sauber. So soll es sein.
Ich misstraue der Idylle, erahne die möglichen Abgründe, fürchte die Irrationalität im Mantel der Normalität. Warum? Weil unser Miteinander so ein kompliziertes Konstrukt geworden ist? Weil die Gefahr besteht, dass Beziehungskonstruktionen wie ein Kartenhaus einbrechen können? Wovor habe ich Angst?
Vor der Gier, die uns entmenschlicht.
Die Künstler, die ich zu diesem Ausstellungsprojekt eingeladen habe sind Menschen, die sich nicht scheuen, die Initiative gegen die Unmenschlichkeit zu ergreifen, es sind agierende Künstler, die mit ihren Arbeiten eingreifen und sich der Humanität zuwenden.
Ágnes Szabics zum Beispiel arbeitet bevorzugt mit digitalen Fotoarbeiten im öffentlichen Raum. Ihre Bilder und Installationsserien heißen Survival Exercises. Sie platziert ihre Arbeiten, die meistens auf transparente Folie gedruckt sind, auf Fenster, Glas oder auch U-Bahn Wänden. Das Licht ist ein wichtiger Dialogpartner ihrer sehr vielschichtigen Fotomontagen und Installationen. Wie zuletzt in ihrer Serie für eine Schule für Sehbehinderte Kinder, dort hat sie ihre Abbildungen durch geplottete (ausgestanzte) ertastbare Bilder ergänzt. Diese Methode hat sie nun hier heute fortgesetzt, indem sie einen Dialog mit den ausgestellten Arbeiten eingeht und diese auf sensorische Art und Weise vermitteln möchte.
Anfassen ausdrücklich erlaubt!
Bei Karin Frank ist der Tastsinn naturgemäß ein enorm wichtiger in ihrer Arbeit als Bildhauerin. Ihr gelingt es mit ihren Skulpturen in unser Innerstes vorzudringen, diese Arbeiten arbeiten in uns weiter. Sie ist für mich in ihrer kompromisslosen Darstellung des menschlichen Körpers ähnlich frei agierend wie Egon Schiele. Die „Verstrickung" stellt für mich das Ausgesetztsein an der Sucht oder den Bedürfnissen des eigenen Körpers dar.
Ähnlich verhält es sich auch mit Janos Szurcsik´s Skulpturen, auch er dringt mit seinen Werken in unser Innerstes, verwirrt uns mit scheinbar ambivalenten Aussagen, die uns aber dann doch zur richtigen Conclusio führen.
Das Kriegslamm Jesus warf die Händler aus dem Tempel, sein Motiv war die Suche nach der Liebe und Wahrhaftigkeit, doch das Christentum überwältigte die Neue Welt unter diesem Vorwand mit schier unglaublicher Grausamkeit und Gier. Gier war auch der Antrieb der Kreuzzüge. Janos Szurcsik´s Bootsobjekte behandeln auch das Thema „Orientierungslosigkeit" und greifen dadurch mit ihren Fragestellungen direkt in unser Weltbild ein.
Jenö Lévay´s Fotoarbeiten leben auch von gegensätzlichen Motiven, die digital vereint worden sind. Die idyllische Schafherde in seiner Arbeit „Tömegszerencse", übersetzt bedeutet das das Gegenteil von Massenkatastrophe, also Massenglück, diese Schafherde interpretiere ich als Zwangsbeglückung, dringt in historische
Gemäuer ein und hinterlässt eine neue tierische Landschaft. Sie nivelliert nach unten. In der Arbeit „Árteri barokk" , bedroht das wilde Biest Gier die Schönheit. Bei dieser Arbeit wurde das faszinierende Medium Harmonografie verwendet. Eine digitale Kamera, die Bilder und Bewegungen verzerrt wiedergibt.
Jenö Levay agiert oft auch als Performer, auch ihm ist die bloße zweidimensionale Abbildung nicht genug, auch er will in das Bild eindringen. Das bewegte Bild ist auch in seiner Videoarbeit „Szürke Felhök" Graue Wolken mit der Musik von Franz Liszt, Träger einer unheimlichen Botschaft. Für mich stellt es pathologische organische Vorgänge dar, die sich auf die Seele und den Verstand auswirken.
Auch Christa Zauner greift ein. In ihre eigene Fotoarbeiten und in den öffentlichen Raum. Auch sie eine engagierte und empathische Beobachterin ihrer Umwelt, auch ihr ist es nicht genug, bloß abzubilden. Sie dringt mit ihren Zeichnungen in die Oberfläche der Fotografie ein, schneidet ein, entfernt Schichten oder gießt sie in Kunstharz ein. Auch sie ist eine Agitatorin. Bei ihrem Ausstellungsprojekt fe/male 2001 in einer Wiener U-Bahnstation irritierte sie mit ihrer Plakat - Intervention über das Thema Androgynität vorübereilende Passanten. Ihr Ausstellungsprojekt PS-Parolen/Slogans 2010 in Wien befasste sich mit den Auswirkungen der politischen Polemik in der Gesellschaft. Ihre Arbeit über Wolfskinder handelt von dem Missbrauch der Wissenschaft und Forschung, der an in der Wildnis aufgefundenen Kindern, betrieben worden ist.
In László Karácsonyi´s Arbeit „deep show" regiert nach außen hin auch die Idylle, aber „peepen" sie mal durch das Fenster der Fassade.
Laszlo Karácsonyi verwendet oft Spielzeugfiguren oder Figuren aus kommerzieller „Volksbeglückungsfabrikation", wie bei er Arbeit „Holy Shit" zum Aufzeigen gesellschaftlicher Pathologien. Die Röntgenaufnahmen Kuckuck zeigen zuerst László´s Schädel und den dazugehörigen Vogel dazu. Ich mag Lászlós schwarzen Humor.
Der kohlrabenschwarze Singvogel mit dem Nest aus Spielzeugsoldaten ist auch ein trauriger Abgesang an den Glauben der perfekten Idylle.
Wie auch meine Installation „ Interdependent" , die ein Papierobjekt von mir, entstanden 2009 in Miskolc, zusammen mit Laszlo´s Blumensamenprojektion zeigt. Meine ersten Papierobjekte entstanden 2007 auf dem Landart Symposium „Feenwiese" Niederösterreich. Dort hingen papierene Kinder- und Frauenkleider in einem Wäldchen. Ich nannte sie „Spirits" Geister. Meine Serie „Nester" untersucht den Begriff Geborgenheit in einer monetär bestimmten Umwelt und wurde 2012 für die Ausstellung" den blick öffnen" in Wiener Neustadt angefertigt.
DANKE an Brigitte Lang und Michaela Seif vom Kunstverein Art P, die diese Ausstellung möglich gemacht haben! Sie hatten ein offenes Ohr und offenes Herz für mein Anliegen!
DANKE an die mitwirkenden Künstler, großartige Menschen, die mein Thema mit ihren Werken bereichert haben!
Liebe ist ein klebrig weicher süß salziger Kitt. Überlebensklebstoff. Dieses Bindemittel hat nichts Geheimnisvolles an sich, es ist einfach nützlich. Ohne diesen natürlichen Zusatzstoff wird man krank, stirbt man. Lieben muss man. Es ist eine biologische Notwendigkeit wie essen, trinken und schlafen. Doch obwohl heute die Liebe hitzig besungen und herbeigerappt wird, kommt es mir vor, als ob sie eine Mangelerscheinung geworden wäre. So wie Nährstoffmangel, Eisenmangel oder Zeitmangel. Wie kleine trockene Inseln in einem japanischen Steingarten stehen wir da und warten auf die lebensspendende Flut, die in so einem künstlichen Garten nie erscheinen wird. Ich glaube, dass Liebe vormals etwas so Kostbares aber auch Natürliches gewesen ist, dass man sogar darüber schweigen konnte. Man wusste. Man schaute einander an und wusste. Ein Lächeln erwärmte die Erde, ließ uns fließen und gleiten, nährte und verband uns. Warum geht das heute so schwer? Dieses Lächeln? Zu verbindlich? Schau dein Gegenüber einmal an und lächle verbindlich, er wird davonrennen. Wir haben vergessen, dass wir lieben müssen. Was tun wir nicht alles stattdessen? Zwischenmenschlicher Kontakt ist keine Verpflichtung, aber was ist es dann? Das klebrige Netz, das wir heute spinnen, fängt morgen unsere Kinder auf und nährt sie, damit sie darüber ein noch feineres Netz weben können, das noch besser hält und niemanden ins Bodenlose fallen lässt.
Text erschienen im "Filter" (2000-2001) kremser Kulturzeitschrift von LanserNutz